zurück zur Tabelle

KWIC-Belege zur verlinkten Tabelle

Partnerwort ‚Jahre dreißiger‘

* Die Attraktion der Altstadt: Ein stattlicher Weihnachtsbaum auf dem Platz Am Markte im Jahr 1936 (links). Auf dem Klagesmarkt wurden schon zu Beginn der dreißiger Jahre Bäume verkauft (oben). Andreas Fahl* (unten) ist der Kurator der Ausstellung. (HAZ08/NOV.05468 Hannoversche Allgemeine, 29.11.2008, S. 21;)
Dies bedeutete jedoch nicht das Ende des Widerstandes. Auch in der zu Ende gehenden Zarenzeit kam es zu sporadisch aufflackernden Aufständen, die sich auch nach der kommunistischen Revolution fortsetzten. Der letzte Widerstand gegen die Fremdherrschaft erlahmte erst zu Beginn der dreißiger Jahre. Unter dem sowjetischen Diktator Stalin, im Jahre 1944, kam dann der nächste Schlag gegen die Tschetschenen. Wegen angeblicher oder wirklicher Kollaboration mit dem nationalsozialistischen Deutschland wurden die Tschetschenen, ebenso wie die ihnen verwandten Inguschen, nach Mittelasien deportiert. Dudajew ist ebenso in der mittelasiatischen Fremde geboren wie Ruslan Chasbulatow, der vormalige Moskauer Parlamentspräsident und gescheiterte Putschist gegen Jelzin, der sich jetzt wieder in Tschetschenien aufhält. Auch nach der Rückkehr der Tschetschenen in ihre Heimat erlosch deren Streben nach Unabhängigkeit nicht. Obwohl der Einmarsch der russischen Truppen am 11. Dezember vorigen Jahres nicht den gesamten Kaukasus in Brand gesetzt hat, liegen doch die Sympathien vieler Kaukasier bei den Tschetschenen, vor allem natürlich, sofern sie Muslime sind. (F95/555.00055 Frankfurter Allgemeine, 1995)
die populäre Zeile "Martha, Martha, du entschwandest" als subtilen Hinweis des Erzählers auf den Ausgang gelten lassen wollte, könnte keinen LeserJohnsons überraschen, denn zum einen hat der Dichter selbst einmal verraten, daß die Geschichte nicht so glücklich enden sollte, wie man sie zu Anfang kennenlernt. Und überhaupt schien Johnson abonniert auf problematische Beziehungen, in seinem Leben wie in seinem Werk, warum nicht auch bei diesem? Jetzt aber hat der Mecklenburger Jürgen Grambow in seiner aktuellen Rowohlt-Monographie über den Auch-Mecklenburger Johnson darauf hingewiesen, daß noch in anderen Bezügen als den textinternen die Oper "Martha" Sinn ergibt: Denn Flotow sei "der einzige Komponist (aus Mecklenburg) von überregionaler Bedeutung", und mit vollem Titel heiße seine Oper "Martha oder Der Markt zu Richmond". Richmond aber, heute Teil von London, ist in Johnsons Werk ein Ort und Name von erheblicher Bedeutung: Für den Kunsttischler Cresspahl aus Mecklenburg ist Richmond zu Beginn der dreißiger Jahre das Schlupfloch vor dem drohenden Nationalsozialismus, hier hat er sich die Werkstatt und das Leben eingerichtet, bis er dann doch, der Ehefrau zuliebe, noch einmal zurücknach Deutschland geht, in jenes Land aus Schuld und Schande, die seinen Autor Johnson ein Leben lang am Schreiben hielten. Wer an den größten Zusammenhang in Johnsons Schaffen glaubt, der findet ihn in Flotows Operntitel abermals bestätigt. Und wer von bloßem Zufall reden wollte, kann auch dies; denn zu beweisen ist die eine Leseart nicht und nicht die andere. Was aber fängt ein Leser damit an, wenn es ihn, wie einst den Autor dieser Zeilen, für ein paar Stunden nach Sheerness verschlägt, in jenen tristen Ort am Wasser, der für die letzten Jahre seines Lebens Uwe Johnsonsenglisches Exil und endlich seine Sterbestätte wurde und wo man nach wie vor ein drittes Mal auf Richmond stoßen kann? (NUN98/JAN.00333 Nürnberger Nachrichten, 06.01.1998, S. 20; Poet in Richmond - Zu der neuen Rowohlt-Monographie über den Dichter Uwe Johnson Poet in Richmond Zu der neuen Rowohlt-Monographie über den Dichter Uwe Johnson Was ist ein Zufall)
In Festenbergs »Dosi« reihen sich Bilder einer Kindheit um die Jahrhundertwende aneinander. Bilder von Verwandten, voran von der titelgebenden Großmutter, Eindrücke von Familienfesten, Ausflügen, Kinderkrankheiten, Spaziergängen etc. Festenberg selbst gibt dem Werk in seinem handgeschriebenen Entwurf den Untertitel »Gestalten einer Kindheit«. Der Autor scheint sich unter dem Vorwand der Vorrangigkeit des Autobiographischen von allen, ihm als Dichter auferlegten Pflichten zu trennen. Festenbergs epische Versuche zu Beginn der dreißiger Jahre lassen sozialkritische Elemente vermissen. Man könnte annehmen, er schließe sich der Meinung H. Sudermanns an, der 1922 in seinem ähnlich strukturierten »Kinderbuch meiner Jugend« schreibt: »Es ist auch nicht 'Wahrheit und Dichtung', was ich etwa zu geben wage. Ein simples Bilderbuch soll es nur sein.« (Sudermann, 214 zit. n. Paulsen 1991, 37) (BIO/MCF.00000 Mattle, Christoph: Gustav von Festenberg, Hrsg.: Eicher, Thomas; Hackert, Fritz; Hamacher, Bernd. - Oberhausen, 2002 [S. 150])
Quines Studium der Mathematik und der Philosophie zu Beginn der dreißiger Jahre in Harvard stand bereits im Zeichen jener heute klassischen Denker der analytischen Philosophie, die versuchten, ihr Fach als exakte Wissenschaft zu betreiben: Alfred North Whitehead und Bertrand Russell, die von 1910 bis 1913 gemeinsam die "Principia Mathematica" veröffentlicht hatten. Russell und andere versuchten später, das Modell der logischen Grundlegung der Mathematik auf die Naturwissenschaft zu übertragen. Nach diesem sogenannten logischen Empirismus sollten sich alle naturwissenschaftlichen Aussagen auf elementare Bestandteile reduzieren lassen: auf Sätze, die unmittelbaren Einsichten oder Beobachtungen Ausdruck geben, und auf logische Prinzipien, die aus ihnen Gebäude des Wissens fügen sollten. (F95/525.00025 Frankfurter Allgemeine, 1995)
Finnland ist auf dem Wege, immer tiefer in die schwerste Wirtschaftskrise seit der weltweiten Depression zu Beginn der dreißiger Jahre zu rutschen. Die seit dem Herbst letzten Jahres freigegebene Finnmark hat im Durchschnitt 20 Prozent ihres damaligen Werts eingebüßt, gegenüber dem Dollar sogar 40 Prozent. (T93/JAN.03882 die tageszeitung, 26.01.1993, S. 7; Spirale abwärts)
In der neuen Biografie des Theologen Jürgen Schäfer wird das Leben Kurt Gersteins mit bisher unerreichter Gründlichkeit nachgezeichnet: Aus bürgerlichen Verhältnissen kommend, engagierte er sich zu Beginn der dreißiger Jahre als junger Student in den christlichen Schülerbibelkreisen. Als nationalkonservativer Christ konnte er wie viele andere dem Nationalsozialismus eine Menge abgewinnen und trat 1933 in die NSDAP ein. Aus seiner konsequenten Glaubenshaltung wuchs aber auch ein Widerstandspotenzial: Im Juni 1936 verschickte er, anonym, kritische Predigten und Gutachten von Theologen der Bekennenden Kirche an sämtliche Staats- und Ministerialräte. Als die Aktion aufflog, wurde Gerstein inhaftiert, aus der Partei ausgeschlossen und verlor seinen Posten als Bergassessor. Von da an hatte Gerstein es schwer, in NS-Deutschland wieder beruflich Fuß zu fassen. (T01/JAN.03862 die tageszeitung, 23.01.2001, S. 16, Ressort: Politisches Buch; Zeuge der Anklage)
Brandt äußert die Vermutung, daß mit "demokratisch-militantem Widerstand" Hitler hätte verhindert werden können, und hält der SPD vor, die Chancen für eine Wende oder zumindest für eine "ehrenvolle Niederlage" 1933 nicht genutzt zu haben. Die Gründung der SAP, an der Brandt selbst 1931 beteiligt war, bezeichnete er in der Rückschau 1982 als politischen Fehler und als "interessante, aber nicht sehr gewichtige Begleiterscheinung eines unglücklichen Zerfallprozesses". Dies entspricht voll und ganz den Auffassungen, die die Bundisten in Polen bereits zu Beginn der dreißiger Jahre geäußert hatten. (R97/DEZ.102767 Frankfurter Rundschau, 29.12.1997, S. 13, Ressort: DOKUMENTATION; Über das Beziehungsgeflecht zwischen Jüdischem Arbeiterbund, Sozialdemokratie)
Das meistgelesene Buch von Jorge Amado (Auflage: zwei Millionen Exemplare) ist eine aufrührerische Hymne auf die Tapferkeit der Stadtstrolche. "Die Revolution ist Heimat und Familie zugleich", lautet seine abschließende Botschaft. Jorge Amado, der zu Beginn der dreißiger Jahre in die Kommunistische Partei Brasiliens (PCB) eintritt, verwandelt in seinem Werk den Chef der Kinderbande, Pedro Bala, in einen Helden der Arbeiterbewegung. (T92/AUG.30814 die tageszeitung, 10.08.1992, S. 13; Liebhaber der Vagabunden)
Hingegen birgt nach Auffassung von SPD-Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing die 'schlimme Zündelei' des Kanzlers die Gefahr, daß das ganze demokratische Haus abbrenne. 'Wir haben keinen Staatsnotstand. Wir sind meilenweit davon entfernt', bekräftigte er. Statt dessen gebe es einen 'Regierungsnotstand', weil die Regierung unfähig sei, die sozialen und finanziellen Probleme zu lösen, die Einheit Deutschlands nicht voranbringe und nicht mit der notwendigen Härte gegen rechtsradikale Ausschreitungen vorgehe. Der SPD-Vorstand meinte weiter, die Diskussion um den Staatsnotstand erinnere 'an die Zeit der Notverordnungen zu Beginn der dreißiger Jahre'. Über Parteigrenzen hinweg seien alle Demokraten aufgerufen, diesem Anschlag Widerstand entgegenzusetzen. Die stellvertretende SPD-Vorsitzende Herta Däubler-Gmelin warf Kohl vor, er betreibe mit seinen Äußerungen 'das Geschäft der Rechtsradikalen'. Ingrid Matthäus-Maier sprach von einem Erpressungsmanöver; Unter Hinweis auf einen angeblichen Staatsnotstand beim Asylrecht eine Verfassungsänderung mit einfacher Mehrheit vorzunehmen, wäre ein 'glatter Staatsstreich von oben'. (U92/NOV.00392 Süddeutsche Zeitung, 03.11.1992, S. 0; Kein Verfassungsbruch in der Asylfrage beabsichtigt)
Die TV-Serie spinnt die Lebensfäden ihrer Protagonisten vom Jahre 1931 bis hinein ins Jahr 1991. Im Mittelpunkt steht die Figur des jüdischen Unternehmers Max Salomon (Udo Samel), der zu Beginn der dreißiger Jahre in Berlin ein florierendes Konfektionshaus leitet und sich seinen Angestellten fast väterlich verbunden fühlt. Salomon ist kein orthodoxer Jude, eher ein Bonvivant, der vor schönen Frauen so wenig haltmacht wie vor einem guten Schweinebraten. Und er liebt seine Arbeit. Darin liegt seine persönliche Ausstrahlung und sein geschäftlicher Erfolg. (U93/MAR.01546 Süddeutsche Zeitung, 06.03.1993, S. 0; Schöne Frauen, guter Schweinebraten)
Der Berliner Arzt Magnus Hirschfeld war nicht nur Gründer der ersten Homosexuellenorganisation der Welt, er musste auch als Jude zu Beginn der dreißiger Jahre ins Exil fliehen, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entgehen. Seine Biografie ist in der Ausstellung "lesbisch.jüdisch.schwul" dokumentiert, mit der sich das Schwule Museum am Berliner Gedenkjahr 2013 "Zerstörte Vielfalt" beteiligt. (T13/JUN.00609 die tageszeitung, 06.06.2013, S. 03; Verfolgung, Untergrund und Exil)
Fußten die Rezepte zur Krisenüberwindung zu Beginn der dreißiger Jahre auf der These von Keynes, wonach Nachfragemangel das Hauptübel sei, so wurde man sich erst in den siebziger Jahren wieder bewußt, wie sehr staatliche Interventionen das natürliche Zusammenspiel gestört haben. Hayeks Betrachtungsweise, die dem Handel eine herausgehobene Funktion zuerkannte, war individualistisch und damit stets gegen zentrale Planwirtschaft gerichtet. (U92/MAR.05653 Süddeutsche Zeitung, 25.03.1992, S. 0; Nobelpreisträger Friedrich August von Hayek gestorben)
Über elf Millionen Afrikaner nahmen die Europäer vom 16. bis zum 19. Jahrhundert gefangen, verfrachteten sie auf Schiffe und verkauften sie an Plantagen- und Minenbesitzer in der Neuen Welt. Bis zu 40 000 dieser unglückseligen Schiffsfahrten an die Westküste Afrikas gab es nach Berechnungen von Historikern. Zu ihnen zählt der Yale-Professor Robert Harms, dessen vielfach ausgezeichnetes Buch "Das Sklavenschiff" die Fahrt der französischen Diligent zu Beginn der dreißiger Jahre des 18. Jahrhunderts erzählt und nun auch auf deutsch vorliegt. Ein Glücksfall, für die Forschung wie für den Leser des glänzend geschriebenen Werkes. (U04/OKT.00051 Süddeutsche Zeitung, 01.10.2004, S. 16; Die Ware Mensch)
Köhler hat mit seinem dramatisierenden Redebeginn einen beunruhigenden Akzent gesetzt. Millionenfache Arbeitslosigkeit, nie da gewesene Haushaltslage, Zukunft unserer Kinder - das erinnert im kollektiven Gedächtnis der Deutschen sehr wohl an etwas bereits Dagewesenes: die Lage zu Beginn der dreißiger Jahre. Damals wuchs sich eine Wirtschaftskrise zu einer Krise des Parteiensystems und somit zu einer Verfassungskrise aus. 1932 wurde unentwegt gewählt: Reichspräsident, Reichstag. Regiert wurde mit Notverordnungen. Auf den Straßen herrschte neben den Schlangen der Arbeitslosen Gewalt. (U05/JUL.03916 Süddeutsche Zeitung, 23.07.2005, S. 13; Die Scheidung der Dinge)
Seit der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre habe keine Regierung mehr versucht, 'so massiv in die Leistungen für Arbeitslose einzugreifen', sagte Engelen-Kefer. 'In der Weimarer Republik hatte dies katastrophale Auswirkungen.' Es sei 'dummes Gerede', wenn Politiker heute behaupteten, mit den Kürzungen solle der Abstand zwischen Lohnempfängern und Beziehern von Lohnersatzleistungen gewahrt bleiben. Es gebe zwar Einzelfälle, in denen etwa eine sechsköpfige Familie mit Sozialhilfe mehr Geld erhalten könne als mit dem Lohn eines ungelernten Arbeiters, räumte sie ein. Dies sei aber kein Grund, ein 'bewährtes System kaputtzuhauen'. Als Einnahmequellen des Staates nannte sie unter anderem den Kampf gegen illegale Beschäftigung und gegen Steuerhinterziehung. (U93/JUN.06975 Süddeutsche Zeitung, 30.06.1993, S. 2; Bonner Sparbeschlüsse als Eingriff in die Eigentumsrechte bezeichnet)
Aus der Geschichte kann man lernen. Denn wer sich erinnert, vermeidet möglicherweise alte Fehler. Für alle Ökonomen ist daher die Weltwirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre die entscheidende Referenzphase. Bis heute scheiden sich viele Theoretiker an dieser Krise: Durch was wurde sie zur Katastrophe, und durch was wurde sie schließlich überwunden? (U03/JUL.03328 Süddeutsche Zeitung, 19.07.2003, S. 21; New Deal)
Als geistiger Vater dieser Theorie gilt mit Recht, wenn man von einigen älteren Vorläufern - darunter vor allem auch Karl Marx - absieht, der britische Ökonom John Maynard Keynes. Er entwickelte sie zu Beginn der dreißiger Jahre unter dem Eindruck der großen Weltwirtschaftskrise, also zu einer Zeit, die sich von der heutigen vornehmlich in fünffacher Hinsicht fundamental unterschieden hat: (Z82/DEZ.00027 Die Zeit, 03.12.1982, S. 27; Die falschen Rezepte)
Eher unbekannte M.-B.-W.-Arbeiten zeigt jetzt eine Wanderausstellung des International Center of Photography (New York). Nach Stationen in London, Paris und Mailand ist sie nun im Münchner Stadtmuseum zu sehen. Aufnahmen einer Reise in die Sowjetunion zu Beginn der dreißiger Jahre und ihre Beispiele für die "Schönheit der Maschinen" belegen, daß sie jenseits jeglicher Sensation auch ein Gespür für die inszenierte Feierlichkeit des unbelebten Objekts besaß. (Z90/JUN.00012 Die Zeit, 01.06.1990, S. 87; Das Auge von „Life“)
James: Was mich ermutigt, ist die Tatsache, dass die chinesische Führung viel stärker informiert, international ausgerichtet und reifer ist, als es die Amerikaner zu Beginn der dreißiger Jahre waren. Es gibt klare Hinweise darauf, dass chinesische Institutionen ihre großen Chancen in der gegenwärtigen Krise sehen, indem sie zum Beispiel die Reste von AIG und anderen Finanzinstituten aufkaufen. (U08/OKT.01834 Süddeutsche Zeitung, 11.10.2008, S. 26; Das Beben an den Märkten: Der Historiker Harold James zieht Vergleiche zur Weltwirtschaftskrise)
Es enthält die Summe von Reichs sexualpolitischen Vorstellungen zu Beginn der dreißiger Jahre. Der zweite Teil dieses Buches, einige Jahre später geschrieben als der erste, der zunächst unter dem Titel "Geschlechtsreife, Enthaltsamkeit, Ehemoral" für sich erschienen war, analysiert die Widersprüche der gescheiterten sexuellen Revolution in Rußland und legt in dem endgültigen Sieg der sexuellen Reaktion eine der entscheidenden strukturellen Ursachen für die autoritäre Entartung des Sowjetkommunismus bloß. Zusammen mit dem Buch "Die Massenpsychologie des Faschismus" stellt er Reichs sexualökonomischen Beitrag zur Zeitgeschichtsforschung dar. (Z69/OKT.00139 Die Zeit, 10.10.1969, S. 85; Der Mann, der an unsere tiefsten Ängste rührte)
H aider ist nicht Hitler", weiß der anerkannte Haider-Kenner Gordon Sumner, alias Sting. Schüssel ist "nicht Dollfuß", fügt der anerkannte Schüssel-Kenner Wolfgang Schüssel hinzu. Und der Mond ist noch immer nicht aus Käse, möchte man selbst ergänzen. Aber sonst? Sonst ist ja eigentlich alles wie zu Beginn der dreißiger Jahre. Sicher, die halbe Million Arbeitslose von damals, die gibt's heute nicht, Österreich ist kein Armenhaus mehr, sondern das achtreichste Land der Welt, es gibt kein Ausgesteuerten-Elend mehr und im übrigen ganz sicher auch kein Wunderteam. Überhaupt ist irgendwie alles anders. Läßt man freilich diesen ein wenig irritierenden Umstand beiseite, so lassen sich ganz mühelos historische Parallelen ziehen. Wen wundert es da noch, daß sich eine Internet-Plattform gegen "Schwarzblau" schlicht "O5" nennt, ganz so wie die wohl bekannteste Widerstandsgruppe aus dem Nazi-Wien. Hand aufs Herz: Wer von uns wollte nicht auch einmal ein richtiger Widerstandskämpfer sein - und noch nie und nirgendwo war es so einfach und risikolos wie hier und heute. (P00/MAR.09323 Die Presse, 11.03.2000, Ressort: Spectrum)
Paul Abrahams Versuche, sich in den USA eine neue Existenz aufzubauen, scheiterten und führten geradewegs in die Katastrophe. Er, der zu Beginn der dreißiger Jahre in Deutschland und Österreich zu den erfolgreichsten - und wohlhabendsten - Komponisten zählte, stand nun vor dem materiellen und beruflichen Nichts. Von den Nationalsozialisten, die Abrahams Musik als "entartet" eingestuft hatten, waren längst seine Tantiemen beschlagnahmt worden, und eine Aussicht auf eine seiner Qualifikation entsprechende Anstellung in New York war schlicht und einfach nicht vorhanden. Obwohl die genauen Ursachen seiner schweren Krankheit bis heute nicht restlos geklärt sind, scheint die hoffnungslose Lage im Exil den Ausbruch der Geisteskrankheit zumindest begünstigt zu haben. Abraham verlor nach und nach den Bezug zur Realität und flüchtete sich in Scheinwelten. Einmal dirigierte er auf dem Broadway ein unsichtbares Orchester, ein andermal lud er seine Freunde zur Hochzeit mit dem berühmten Hollywood-Star Ilona Massay ein, ohne daß die Schauspielerin davon etwas gewußt hätte. (P00/MAI.17075 Die Presse, 06.05.2000, Ressort: Spectrum)
Dann die Schocks seines Lebens. Gewisse Radikalentscheidungen und Situationskristalle bildeten für Alfred Andersch ein nicht abreißendes Erinnerungsostinato: biografisches Material, mit dem er arbeitete wie ein Musiker (der er insgeheim war), das er variierte, transportierte, vom knappen Bericht zu großen Erzählungen erweiterte, aus autobiografischen Skizzen in die Romane einfließen ließ, später wieder essayistisch aufgriff. Da waren einmal die Mitgliedschaft im Kommunistischen Jugendverband Bayerns zu Beginn der dreißiger Jahre und die Inhaftierung im Konzentrationslager Dachau nach dem Reichstagsbrand: Jahre einer gefährdeten Gemeinschaft, Monate der Demütigung und der Todesangst - traumatischer Vorrat für immer. Und da war die andere radikale Erfahrung, die Desertion im Jahr 1944 an der italienischen Front, die Flucht in amerikanische Gefangenschaft, die erste jener Fluchten, die für sein Werk so charakteristisch sind, dass man ihn als Autor der Flucht gesehen hat. (Z05/FEB.00334 Die Zeit (Online-Ausgabe), 24.02.2005; Aufklärer in Eisgrau)
"Ein ernstes Leben" (aus dem Jahre 1932) ist ein Zeitroman zu Beginn der dreißiger Jahre, die Hauptfigur ist die Kätnerstochter Marie Lehning, die ein Berliner Barmädchen wird, wie die zweite Frau von Heinrich Mann, Nelly Kroeger. (Z61/DEZ.00116 Die Zeit, 08.12.1961, S. 22; Die Menschen kennen und doch lieben)
Gleich Koeppens erster Lektor, Max Tau, war zu Beginn der dreißiger Jahre auf Gewaltmaßnahmen verfallen, damit der junge Dichter seinen ersten Roman überhaupt zu Ende schrieb: Er schloß ihn kurzerhand mit Schreibmaschine und Papier in einer Berliner Wohnung ein. Doch Koeppen streikte. Er glaubte, nur in Italien schreiben zu können, und machte sich mit dem letzten Redakteursgehalt (er war zuvor beim Berliner Börsen-Courier angestellt gewesen) auf den Weg - ohne Ergebnis. Erst später vollendete er, wieder in Berlin, sein genialisches Debüt, den Roman "Eine unglückliche Liebe" (1934). (S96/DEZ.00611 Der Spiegel, 30.12.1996, S. 152; Romanträumer auf See)
Seit uns zu Beginn der dreißiger Jahre das Glas wunder aus Jena staunen ließ, hat eine ganze Hausfrauengeneration in den hitzefesten Schüsseln, Schalen und Näpfen gekocht. (Z59/NOV.00261 Die Zeit, 27.11.1959, S. 22; Die gläserne Küche)
Die Saudis erinnerten die Euro-Retter in diesem Zusammenhang an die Wirtschaftskrise zu Beginn der dreißiger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als Sparguthaben und Arbeitsplätze massenweise vernichtet wurden. "Wir sollten nicht vergessen, dass die Einlagensicherung für Sparkonten seit der Großen Depression ein Eckpfeiler der Stabilität des Finanzsystems und des Vertrauens in Banken war", heißt es in ihrer Tischvorlage. Wäre der erste Plan verabschiedet worden, hätte zudem das Ansehen des IWF als Retter in der Not gelitten. (S13/JUN.00043 Der Spiegel, 03.06.2013, S. 68; Ritter der Tadelrunde)
*) Nach der Wirtschaftskatastrophe zu Beginn der dreißiger Jahre wurde 1934 in den USA eine staatliche Börsenkontrollkommission errichtet. Sie überwacht die Ausgabe von Aktien, soweit sie den Wert von 300 000 Dollar für eine Gesellschaft überschreiten, und prüft regelmäßig die Geschäftsberichte der Unternehmen. (S55/APR.00037 Der Spiegel, 06.04.1955, S. 32; Das Publikum kam wieder)